SH: Season 2 E8

[quote=Jan]Hallo Ta­ma­go, es freut mich zu er­fah­ren, dass die Re­zep­ti­on ja­pa­ni­scher Zei­chen­trick­se­ri­en Dir so am Her­zen liegt: schön zu sehen, wenn die Ju­gend sich zu sol­cher Be­geis­te­rung fähig er­weist. Wie zu er­war­ten, bin ich mit Dei­nen Ein­las­sun­gen nicht gänz­lich ein­ver­stan­den. Ich hoffe, es stört Dich nicht, wenn ich mir er­lau­be, im fol­gen­den Zi­ta­te aus sel­bi­gen ge­ring­fü­gig or­tho­gra­phisch und sti­lis­tisch zu ver­bes­sern.

„Und darf ich daran er­in­nern, dass die der Ver­fil­mung zu­grun­de lie­gen­de Kurz­ge­schich­te le­dig­lich eine ein­zi­ge Wie­der­ho­lung ent­hält.“

Ich glau­be nicht, dass etwas not­wen­di­ger­wei­se nicht des­halb lang­wei­lig ist, weil es nicht wie­der­holt wird. Die Aria der Gold­berg-Va­ria­tio­nen wird ins­ge­samt 32 Mal wie­der­holt, ohne dass das lang­wei­lig wäre, manch an­de­res Stück ist schon beim ers­ten Durch­gang öde und un­in­ter­es­sant. Kunst kann Wie­der­ho­lun­gen oh­ne­hin nie ver­mei­den, da Kunst stets frü­he­re Kunst wie­der­holt; ge­ra­de die Serie Su­zu­miya Ha­ruhi be­zieht sich par­odie­rend auf vor­an­ge­gan­ge­ne ja­pa­ni­sche Zei­chen­trick­se­ri­en und be­zieht ihre Stär­ke dar­aus, dass sie be­reits be­kann­tes Ma­te­ri­al er­zählt, aber auf ei­ge­ne Art und Weise. Ein Werk, das jeden Bezug zu allen frü­he­ren Wer­ken mei­den würde, wäre, wenn es denn über­haupt er­zeugt wer­den könn­te, völ­lig un­ver­ständ­lich und ge­ra­de des­halb wohl auch voll­kom­men lang­wei­lig. Im Fall von End­less Eight liegt die Ab­wei­chung zwi­schen den ein­zel­nen Wie­der­ho­lun­gen nicht auf der Ebene der Hand­lung; das scheint un­ge­nü­gend, um Dein In­ter­es­se zu fes­seln, und wenn Du be­klagst, dass Du Dich lang­weilst, dann lässt sich da­ge­gen kaum vor­brin­gen, Du könn­test oder dürf­test Dich nicht lang­wei­len. Frei­lich wird aus Dei­nen Aus­füh­run­gen auch nicht recht klar, wel­che ob­jek­ti­ven Grün­de Du auf­füh­ren könn­test, warum die sub­ti­le­ren Ab­wei­chun­gen von End­less Eight not­wen­di­ger­wei­se und auch für jeden an­de­ren lang­wei­li­ger sein soll­ten als acht Fol­gen mit un­ter­schied­li­cher Hand­lung, von denen aber jede für sich ge­nom­men schon lang­wei­lig ist. Ich je­den­falls habe et­li­che an­de­re Anime nach ein paar Fol­gen ab­ge­bro­chen, weil sie mich töd­lich ge­lang­weilt haben, im Ge­gen­satz zu End­less Eight.

„Der Autor die­ses Ar­ti­kels hat außer Ha­ruhi an­schei­nend noch nicht viele Ani­mes ge­se­hen, sonst hätte ihm auf­fal­len müs­sen, dass ein­zel­ne Ei­so­den eines Ani­mes häu­fig mit einem of­fe­nen Ende ab­schlie­ßen und einen sich über meh­re­re Teile er­stre­cken­den Hand­lungs­bo­gen bil­den, statt nur eine Ab­fol­ge in sich ge­schlos­se­ner Epi­so­den zu prä­sen­tie­ren.“

Die Re­le­vanz die­ser Be­mer­kung er­schließt sich mir nicht ganz: auch bei Vor­lie­gen eines fol­gen­über­span­nen­den Hand­lungs­bo­gens sind für ge­wöhn­lich ein­zel­ne Fol­gen in sich ab­ge­schlos­sen, aber selbst wenn ich zu­ge­ste­hen würde, es sei bei Trick­film­se­ri­en ja­pa­ni­scher Pro­ve­ni­enz die Regel, dass die Ge­schlos­sen­heit der ein­zel­nen Epi­so­den gänz­lich hin­ter der Ge­schlos­sen­heit des se­ri­en­über­span­nen­den Hand­lungs­bo­gens zu­rück träte, än­dert dies doch nicht grund­sätz­lich etwas am Sche­ma Eta­blie­rung des Pro­blems – Ver­su­che der Lö­sung des Pro­blems – Lö­sung des Pro­blems.

„Und was ich von dem Aus­bruch an Ab­sur­di­tät halte, einen Zei­chen­trick­film mit einem be­weg­ten Ge­mäl­de zu ver­glei­chen, das will ich hier gar nicht zum Bes­ten geben.“

Was scha­de ist, denn auf ein nicht ge­mach­tes Ar­gu­ment kann ich na­tür­lich auch nichts er­wi­dern.

„Nur so­viel: wer Zei­chen­trick mit einem be­weg­ten Ge­mäl­de ver­gleicht, der kann eben­so gut auch Hol­ly­wood­fil­me mit be­weg­ten Fo­to­gra­fi­en ver­glei­chen.“

Was soll hier die Qua­li­fi­ka­ti­on von Fil­men als „Hol­ly­wood­fil­me“? Lie­ßen sich wo­mög­lich be­stimm­te an­de­re Filme durch­aus mit be­weg­ten Fo­to­gra­fi­en ver­glei­chen (et­li­che Pro­jek­te von Brian Eno kom­men mir hier in den Sinn, die tat­säch­lich den Ver­gleich mit be­weg­ten Fo­to­gra­fi­en nahe legen)? Be­steht also das Pro­blem nur darin, dass Ha­ruhi nicht den Kon­ven­tio­nen eines be­stimm­ten Gen­res ent­spricht, in die­sem Fall dem Genre „Anime“? Das frei­lich könn­te mir kaum gleich­gül­ti­ger sein.

„Auch dass du ‚Die Me­lan­cho­lie der Su­zu­miya Ha­ruhi‘ immer wie­der als Trick­film und ‚Ren & Stim­py‘ als äl­te­ren Ver­tre­ter die­ses Gen­res be­zeich­nest, lässt mich fra­gen, ob du über­haupt weißt, von was du re­dest.“

Es gibt of­fen­sicht­lich sti­lis­ti­sche Merk­ma­le, die vie­len ja­pa­ni­schen Zei­chen­trick­fil­men ge­mein­sam sind – teil­wei­se Ele­men­te, die ja­pa­ni­schen Bil­der­ge­schich­ten ent­nom­men wur­den, die ja oft genug als Vor­la­ge die­ser Trick­fil­me die­nen – so dass es si­cher sinn­voll ist, diese Trick­fil­me einem ei­ge­nen Taxon zu­zu­ord­nen, wie es ja zu­meist durch die Ver­wen­dung des Be­griffs „Anime“ ge­schieht. Das än­dert aber nichts daran, dass ein Anime auch wie­der nur ein Zei­chen­trick­film ist, so, wie eine Taube auch nur ein Di­no­sau­ri­er und ein Te­tra­pod ist. Dem Nicht-Ernst­neh­men von Ani­mes im spe­zi­el­len und Zei­chen­trick­fil­men im all­ge­mei­nen als „Kin­derblö­dels­en­dun­gen“ scheint ein hei­li­ger Ernst man­cher Fans ge­gen­über zu ste­hen, der we­ni­ger nach dem künst­le­ri­schen Wert eines Wer­kes fragt (oder, be­schei­de­ner, da­nach, ob es denn we­nigs­tens un­ter­halt­sam ist), als da­nach, ob die aus­wen­dig ge­lern­ten Be­grif­fe rich­tig an­ge­wandt wur­den. Da fällt es dann wie­der­um mir etwas schwer, ent­spre­chen­de Ein­las­sun­gen ernst zu neh­men. Ich nehme mir das Recht, im Zu­sam­men­hang mit Ha­ruhi auch „Ren & Stim­py“ zu be­trach­ten, ge­nau­so, wie ich mir das Recht nehme, die „ver­bor­ge­ne Kom­pli­ziert­heit“ von Jorge Luis Bor­ges im Zu­sam­men­hang mit Ha­ruhi an­zu­füh­ren. Das nimmt, denke ich, Ha­ruhi so ernst oder so wenig ernst, wie diese Serie es ver­dient; so wenig, wie ich denke, dass Bor­ges als Ver­tre­ter der „Hoch­kul­tur“ per se mehr An­spruch dar­auf hat, ernst ge­nom­men zu wer­den, als ein Anime, so wenig denke ich, dass die­ses Anime durch den Ver­gleich mit einem hand­werk­lich ex­zel­lent ge­ar­bei­te­ten und ein­falls­rei­chen Car­toon wie „Ren & Stim­py“ ein Un­recht wi­der­fährt.

Source: http://www.janthor.com/skizzen/index.php?url=archives/118-Endless-Eight.html&serendipity[csuccess#serendipity_CommentForm[/quote]